Das Eis ist gebrochen!

Das Taschenbuch von “Narrenbraut” ist da. Druckfrisch und 600 Seiten dick! Das ist Band 3 von Die Erste Tochter!

Ihr findet es überall, wo es Bücher gibt, etwa im Thalia-Shop, bei amazon oder beim Buchhändler eures Vertrauens!

Taschenbuch, 600 S., 19,00 Euro, ISBN: 978-3-7575-3592-6

Und das E-Book? Das ist noch in Arbeit, aber kommt in absehbarer Zeit und wird, wie die beiden anderen E-Books der Reihe auch, 3,99 Euro kosten. Wer es aber nicht erwarten kann und/oder das stolze Werk  zusammen mit den Vorgängerbänden im Bücherregal stehen haben will – all diese Lesedrachen können das Buch mit dem wunderschönen Eis-Cover nun erwerben!

Ein weiter Weg

Zusammen schaffen es die drei Bände übrigens schon auf über 1300 Seiten. – Vielleicht ist das eine kleine Erklärung dafür, warum es mit Band 3 so lange gedauert hat. Dazu kamen eine Schreibkrise bzw. eher eine Überarbeitungskrise, ein Bandscheibenvorfall mit Ischiasentzündung und … na ja, einfach eben das Leben.

Nun freue ich mich einfach darauf, mich gleich an Band 4 “Ketzersbuhle” zu setzen. Große Teile davon sind schon geschrieben – aber noch nicht alle. Und auf die noch ausstehenden freue ich mich besonders. Denn unser aller Feldherr und Oberster Priester des Wy findet, dass er lange genug gewartet hat …

Aber jetzt gibt’s zur Feier des Tages erst einmal eine kleine Kostprobe aus “Narrenbraut”.

Leseprobe: Abschiede

[Die Leseprobe ist am Ende des ersten Drittels des Romans zu finden. Versteht sich vielleicht von selbst, aber: Wer die Sache mit den Spoilern sehr eng sieht, der sollte jetzt lieber nicht weiterlesen 🙂 ]

Ich schüttelte heftig den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. Über den Hauscomputer gab ich Bschi ein Signal, mir etwas zu trinken zu bringen. Irgendwann im Laufe des vergangenen Jahres hatte ich es aufgegeben, unserem armen Kindermädchen für alles meine unangemessene Selbstständigkeit aufzuzwingen. Ich wurde erst aus meinen Nicht-Gedanken gerissen, als Bschi mit wippenden Röcken und einem Tablett mit einer Karaffe und drei Gläsern durch die Tür gerauscht kam.

„Ich habe den Krug Schimmerwasser geöffnet, den die ehrenwerte Sumnu Ihnen letzte Nysda zum Geschenk gemacht hat, Herrin. Für Sie und Ihre Gäste.“

„Gäste?“, wiederholte ich etwas benebelt.

Ich hasste den sprudlig-gärigen Geschmack von Schimmerwasser, aber Tante Sumnu wurde nicht müde, mich mit dem schrecklichen Gesöff zu versorgen. Wahrscheinlich hatte es einmal wieder ein Missverständnis zwischen meiner Nachbarin und mir gegeben und sie glaubte nun, dass ich nicht genug von dem Zeug bekommen könnte.

„Ihre Base und deren Brautwerber, Herrin“, sagte Bschi mit einem kleinen Kräuseln über der Nase. „Sie hatten mir deren Besuch doch für heute Nachmittag angekündigt, Herrin, und die beiden müssten jeden Moment vor der Tür stehen.“

„Aber natürlich. Wie die Zeit verfliegt! Stell das Tablett einfach auf das Tischchen, Bschi.“

Das Kindermädchen tat wie geheißen und wippte wieder aus dem Zimmer. Ich sah ihr etwas bedröppelt hinterher. In sporadischen Abständen versuchte ich, eine Art freundschaftlicher Beziehung zu ihr aufzubauen, was aber jedes Mal an unser beider Überforderung scheiterte. Bschi wusste nichts mit einer Adligen anzufangen, die nicht verstand, wo ihr Platz war, und ich konnte nicht nachvollziehen, dass sich ihr bei dem altmodischen Standesdünkel der Hauptstadtaristokratie nicht die Nackenhaare aufstellten.

Nun ja. Jemsi und Ftonim also. Ich konnte mich nicht daran erinnern, die beiden eingeladen zu haben, aber mir war es mehr als recht. Vielleicht konnte ich mit ihnen über den Marsch der Töchter reden und so herausklamüsern, warum mich die Bilder so bewegten. War es nur wegen des neuen Liedes? Weil es diesmal so viele Frauen gewesen waren? Wie Kämpferinnen aus der Asche …

„Klopf, klopf, ist jemand zu Hause?“, holte mich die perlende Stimme meiner Kusine in die Gegenwart zurück.

„Da bin ich mir nicht so sicher“, antwortete ich und nahm die Karaffe auf, um die Gläser vollzuschenken. „Schimmerwasser?“

„Ich hasse Schimmerwasser“, verkündete Jemsi und ließ sich neben mir auf meiner Recamiere nieder.

„Pech. Es ist ein Geschenk von Tante Sumnu und ihr müsst mir helfen, es zu vernichten.“

Ich nickte Ftonim zu, der noch in der Tür lehnte und sich erst auf meine Geste hin weiter in das Boudoir hineinwagte. In mein Goldfischglas, wie er es getauft hatte.

„Dein Kleid ist grauenhaft“, erklärte er anstelle einer Begrüßung. „Offensichtlich hat dein Mann einen fürchterlichen Geschmack.“

„Dankeschön auch“, sagte ich kaustisch und blickte an mir herunter.

Im Gegensatz zum letzten Jahr lag in der Hauptstadt nun schreiend bunte, südländisch inspirierte Mode im Trend. Das geschmähte Kleid umschmiegte mich wie eine zweite Haut, sodass man jede Speck- und Hautrolle sah, ganz besonders im Sitzen. Oben herum war das gute Stück besonders eng, sodass mein Busen dekorativ aus dem großzügigen Ausschnitt quoll, und das helle, kräftige Rot des glänzenden Stoffes biss sich mit meiner Haarfarbe. Außerdem hatte ich den Verdacht, dass ich ziemlich käsig darin aussah; ein matschiger, aufquellender Weichkäse. Ich schnitt eine Grimasse.

„Du bist so was von ungalant“, sagte Jemsi zu ihrem Brautwerber. „Kein Wunder, dass ich dich ins Nimmerwo schicke, du Flegel.“

Er zeigte ihr lange Ohren und mir wurde die Kehle eng. Ich wusste nicht, was ich fühlte.

„Es ist also so weit?“

Jemsi wandte sich mir zu und nahm meine Hände in ihre. „Es tut mir leid, Kleines. Ich dachte mir, ich sag’s kurz und schmerz…los oder so. Wie auch immer. Wir können die Brautwerbung nicht mehr länger hinausziehen. Die Väter und Großväter werden ungeduldig.“

„Mein Vater weiß es schon“, sagte Ftonim, hockte sich in meinen Kreiselsessel und begann, sich auf dem Ding zu drehen. „Er ist höchst unerfreut.“

Ich schluckte. „Dann gehst du also in den Orden?“, fragte ich Jemsi.

Meine Kusine nickte. „Ich wollte ja nur noch etwas Zeit in der Welt. Doch jetzt …“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe langsam genug von dieser Welt, aber wirklich! Und ich muss handeln, bevor deinem Großvater die Sache mit Ftom zu lange dauert und er einen anderen Heiratskandidaten aus dem Teich zieht.“

„Ems, bist du dir da wirklich sicher?“, entriss sich mir die Frage. Noch immer konnte ich mir persönlich ein Leben im Lchnadra-Orden nicht vorstellen. Allem, das ich kannte, den Rücken zu kehren und doch nur ein Regelsystem gegen ein anderes einzutauschen …

„Aber natürlich“, sagte Jemsi. „Das ist es, was ich schon immer wollte, wirklich! Ich brauchte nur etwas Zeit.“ Sie erwiderte den Druck meiner Hände und warf Ftonim einen liebevollen Blick zu. „Ich habe euch alle nämlich wahnsinnig gern, müsst ihr wissen. Und diese unausstehliche Neoly-Familie auch. Höchstwahrscheinlich bin ich also genauso verrückt wie der Rest von euch.“ Ein hörbar tiefer Atemzug. „Aber nun geht es so nicht weiter. Wir sind am Ende unseres Schmierenstücks angelangt, fürchte ich. Also werde ich heute Abend zu dem alten Neoly gehen und ihn demütig darum bitten, mich der Göttin zu übergeben.“

„So weit ist es schon: Ich treibe die Leute in die Abstinenz!“, klagte Ftonim theatralisch. Trotzdem kam es mir so vor, als meinte er es irgendwie ernst.

Nachdenklich musterte ich ihn. Er hatte sich in meinem Kreiselstuhl zusammengekuschelt und sah aus, wie ich mich fühlte: wie etwas Buntes in einem Goldfischglas. Ich runzelte die Stirn.

„Meinst du, dein Großvater wird mir meine Bitte gewähren?“, lenkte Jemsi meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Ihre großen, dunklen Augen sahen mich ungewöhnlich verunsichert an.

Ich schloss die Lider. Hier ging es nicht um mich. Dann öffnete ich sie wieder.

„Eine förmliche, demütige Bitte deinerseits, geliebte Ems? Aber sicher. Der alte Neoly ist schließlich nicht sein erstgeborener Sohn. Und es ist mehr als eine Oktade her, dass die Neolys eine ihrer Töchter in die Arme der Göttin gegeben haben. Es ist langsam an der Zeit. Du hast noch nie zuvor um etwas gebeten, das weiß Großvater, und du bist nicht …“

„Ich bin nicht wichtig“, vollendete Jemsi. „Ich weiß. Darauf baue ich sogar.“

„Du bist der Familienliebling“, korrigierte ich sanft. „Es stimmt, die Neolys verlieren nichts, wenn sie dich hergeben, außer eine schöne Achte Tochter – und deine hochgeschätzte Gegenwart. Und natürlich ihn hier“, ich wedelte mit der Hand in Richtung Ftonim, „wenn sie unsere Scharade überhaupt noch glauben. Aber sie werden dir nichts abschlagen, Ems, und eine so fromme Bitte erst recht nicht.“

Ganz abgesehen davon, dass mein Großvater sicher vermeiden wollte, dass sich die Sache mit Jemsis Mutter wiederholte und eine weitere mit den Neolys verknüpfte Ehefrau sich freiwillig in den Orden zurückzog. Egal wie einvernehmlich der Beitritt von Jemsis Mutter zu den Lchnadra-Dienerinnen damals gewesen sein mochte – es gab einfach kein gutes Bild ab, weder für die angeheiratete Sippe noch für die Stammfamilie. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, wie viel der Wunsch meiner Kusine nach dem Ordensleben wohl damit zu tun hatte, dass sie schlicht und einfach ihre Mutter wiedersehen wollte. Ich versuchte, mich an ihre Stelle zu versetzen, und dachte: Ja; das hätte mir ein Dasein als Lchnadra-Dienerin mehr als schmackhaft gemacht.

Jemsi strahlte mich an. Ihre Freude bog mir die Mundwinkel nach oben.

„Tu mir aber einen Gefallen“, fügte ich hinzu und zeigte wieder auf Ftonim. „Sag Großvater, dass er nicht versuchen soll, Ftom irgendwelche anderen Neoly-Mädchen an den Hals zu werfen. Der Arme hat wahrlich Besseres verdient.“

„Haha!“, tönte es vom Kreiselstuhl.

Jemsi lachte kurz auf. „Ich werde euch so vermissen!“

„Natürlich wirst du das! Und ich dich auch!“, rief ich, zog meine Kusine in die Arme und versuchte dabei, keine selbstsüchtigen Gefühle aufkommen zu lassen. Meine liebste Verwandte würde mir fehlen wie Regen in der Trockenzeit. Natürlich um ihrer selbst willen, aber auch, weil die freien Mnegau mit ihr und Ftonim nun der Vergangenheit angehörten. Mein Herz begann zu brennen, und ich tat mir selber leid.

„Ich wünsche dir alles Glück der diesseitigen Welt, geliebte Ems“, sagte ich meiner Kusine leise ins Ohr. Der Druck ihrer Arme um mich wurde stärker.

„Und du?“, fragte sie ebenso leise zurück. „Kommst du zurecht?“

Mit einem Lächeln löste ich mich von ihr. „Aber natürlich. Ich muss und ich werde. Mach dir keine Sorgen um mich.“

Jemsi schüttelte den Kopf, sagte aber nichts darauf und drückte nur ein letztes Mal meine beiden Hände. Dann stand sie auf und wandte sich Richtung Tür.

„Ich lasse euch zwei allein und halte Wache. Wenn die kecke Bschi sich wundert, fällt mir schon was ein.“

Mit diesen Worten verließ sie den Raum und nahm all ihre Neuanfangsfreude mit sich. Ftonim und ich blieben zurück und starrten uns über die unendlichen Weiten meines Goldfischglases hinweg an. Ich hätte schwören können, in seinen Augen Sterne glänzen zu sehen. Vielleicht waren sie aber auch einfach nur feucht. Ich wusste genau, was er wollte. Ich wusste es, weil ich dasselbe gewollt hätte, hätte mich irgendjemand danach gefragt.

„Auch du, Brutus?“, sagte ich schließlich. Ftonim hatte Vairrynn und mir das alte terranische Theaterstück einmal zu lesen gegeben. Er meinte, es sei unabdingbar, um Ktorram Asnuor zu verstehen.

Nun ließen meine Worte ihn zusammenzucken. Um seinen Mund arbeitete es.

„Komm schon, Feuerfee. Das ist nicht fair.“

Ich senkte den Kopf, blickte auf den grellroten Stoff meines grässlichen Kleides. „Du hast recht. Ist es nicht.“

„Myn …“

Ich sah ihn wieder an. „Es war nicht fair von mir. Du hast mehr für mich getan als irgendjemand sonst.“

Er gab ein undefinierbares Geräusch von sich. „Doch nicht mehr als V…“

„Mehr als irgendjemand sonst, Ftom. Ohne durch Blut oder Schwur an mich gebunden zu sein.“

Nun senkte er den Blick, spielte mit seinen Fingern, als würden sie über die Saiten einer Skenty streichen. „Und doch fühlt es sich an, als wäre es nicht genug.“

Ich stand auf und ging zu ihm hinüber, ließ mich vor ihm auf die Knie sinken und nahm seine rechte Hand in meine, die anders als bei den meisten Singisen seine dominante war. Als ich seinen Blick suchte, schimmerten seine Augen wie eine Fensterwand.

„Ftonim“, sagte ich fest. „Sei nicht dumm. Flieg ins All.“

Er ließ ein abgehacktes Lachen hören. „Mein Vater will mich auf die Erde schicken.“

Ich lächelte. „Du Glückskind! Worauf wartest du denn? Ich könnte die Singisen, die schon auf der Erde waren, an zwei Händen abzählen.“

„Nimm noch die Füße dazu, dann stimmt’s eher.“

„Was nichts daran ändert, dass es nicht viele sind. Die Erde, Ftom!“

„Ich wäre lange weg. Ein Jahr wahrscheinlich mindestens. Also ein Erdenjahr, meine ich.“

„Und? Willst du denn hierbleiben?“

Er neigte den Kopf, schüttelte ihn.

„Worauf wartest du denn dann noch?“, fragte ich ihn wieder. Seine Hand war weich und fest zugleich, als er sie umdrehte und seine Finger mit den meinen verflocht.

„Vielleicht auf deinen Segen, Feuerfee.“

„Oh, Ftonim“, sagte ich und richtete mich auf den Knien auf. Ich gab ihm einen Kuss, den er wie selbstverständlich erwiderte. Der Kuss hatte nichts Sexuelles an sich und nichts Romantisches, aber er war auch nicht platonisch. Ich konnte nicht wirklich sagen, was er war. Ftonim und ich eben.

„Flieg zur Erde, Ftom“, sagte ich, als ich mich von ihm löste. „Auch für mich.“

Er legte mir seine weich-starke Hand auf die Wange, dann ganz kurz auf den Kopf. Ich wünschte, ich hätte mir aus seinem Blick ein Haus bauen können. Oder vielleicht ein Raumschiff.

„Pass auf dich auf, Myn.“

Mit diesen Worten stand er auf und ging. Ich ließ mich auf meine Hacken zurücksinken. Meine Aufmerksamkeit wurde von den drei Gläsern Schimmerwasser eingefangen, die niemand angerührt hatte. Ich glaubte, in der glänzenden Flüssigkeit mein Spiegelbild zu erkennen. Es war ein hauchdünner, blutleerer Schatten, ein Nichts, und es kroch über meine Augen wie Frost.