Woher holt Ihr Euch eigentlich Eure Inspiration? – Mir fällt es manchmal schwer, diese Frage zu beantworten. Doch immer wieder merke ich, wie unerlässlich es ist, sich mit anderen Künstler*innen auszutauschen – ob persönlich oder durch bewusste Rezeption.

Inspiration allein

Nun bin ich schon so lange Teil der Schreiber und Sammler, seit über zehn Jahren gebe ich Schreibkurse und Workshops und immer wieder erlebe ich hautnah (na ja, fast), wie wichtig und inspirierend der Austausch mit anderen Schreibenden ist. Und doch bekomme ich das Bild vom einsamen Schreiberling nicht aus dem Kopf, der oder die im stillen Kämmerlein vor sich hin schriftstellert. Wahlweise auch im Café, auf einer Berghütte, am Strand oder, so habe ich mir erst wieder sagen lassen, auf einer Veranda in Südfrankreich, denn Letzteres gehöre sich schließlich so.

Meistens klappt das auch ganz gut bei mir. Also, nicht die Sache mit der Veranda in Südfrankreich; irgendwie habe ich diese schriftstellerischen Höhen wohl noch nicht ganz erreicht. Aber mit der Inspiration aus mir selbst heraus. Ich habe ein ziemlich reiches Innenleben (soll nicht angeberisch klingen, ist einfach so). Und es fühlt sich oft so an, als würden daraus meine Ideen sprießen, wenn man ihnen nur genug Luft und Raum zum Wachsen lässt.

Von nichts kommt nichts

Aber das klingt so nach Originalgenie, das aus dem Nichts heraus und völlig originell große Kunst schafft. Göttliche oder meinetwegen künstlerische Inspiration eben. Aber das ist Entenkacke. Niemand hat jemals so geschrieben, komponiert, gemalt, auch die Größten der Großen nicht. Man schöpft immer aus dem, was man hat.

Tolkien soll diesen Prozess einmal mit einem Topf Suppe verglichen haben: In diesem Suppentopf landet alles, was man-frau-autor erlebt, denkt, fühlt und vor allem rezipiert. Also liest, hört, sieht oder sonst wie kulturell aufnimmt. Autor*in schöpft dann aus dem Suppentopf für das eigene Werk – und wie gut Letzteres wird, hängt von der Kunstfertigkeit des Schöpfers ab. Oder der Schöpferin. Also der Person, die aus dem Suppentopf schöpft.

Die Schnecken-Inspiration

In meinem Suppentopf köcheln gerade recht eigentümliche Dinge. Unter anderem koreanische Schnecken. Also, bildlich gesprochen. Und auch wieder nicht. Aufgrund meiner neuen Obsession, dem koreanischen Crossover-Quartett Forestella, beschäftige ich mich plötzlich mit koreanischen Musiktexten. Und Legenden und Sprichwörtern. Was mir unterkommt, ist wunderschön und fremdartig und oft sehr emotional. Meistens traurig. Wie dieses Lied über die Begegnung mit einer Schnecke:

Inspiration in Gruppen

Aber manchmal braucht es eben mehr als das. Ich kann aus mir und meinem Suppentopf schöpfen, so viel ich will, aber es schadet nichts, sich mit anderen, die auch kochen, auszutauschen. In diesem Fall gilt nicht: Viele Köche verderben den Brei. Denn vielleicht fügt jemand meinem Suppentopf ein Gewürz hinzu, auf das ich nie gekommen wäre oder das ich noch nicht einmal kenne. Oder man gibt mir einen neuen Suppentopf.

So, ich glaube, die Metapher habe ich ausgereizt. Ich will eigentlich nur erzählen, dass ich vorgestern auf einem Kreativabend war. Zum zweiten Mal haben wir uns ein Jahresthema gestellt. Diesmal?

Tansparenz

Und ich lieb es jedes Mal, was in dieser Runde passiert. Denn die Gruppe besteht eigentlich hauptsächlich aus bildenden Künstlerinnen. Dann gibt es da noch einen Poeten und Klangkünstler. Und es ist so spannend, wie dein Suppentopf sich mit neuen Dingen füllt, während andere Menschen um dich herum ihr eigenes Süppchen kochen. – Na gut, ich war doch noch nicht fertig mit der Metapher. 🙂

Ein kleines Gedicht

Ich bin gespannt, wohin mich die Inspiration dieses Jahr führt. Vielleicht wird es ein Schneckenweg. Fürs Erste habe ich versucht, mich dem Wort Transparenz überhaupt erst einmal anzunähern. Herausgekommen ist ein kleines Gedicht:

Durch die Sicht

Zurück der Blick

Schneckenweg

Gletscherfall

trans

cisalpina

 

Erscheinung am Rand

Nachklang im Regen

glasklar

bloßnackt

trans

formator

 

Der Tiger im Gebirge

Im Rauch von einst

Schneekugelbruch

Grenzüberscheinung

trans

zendenz

 

Durch die Sicht

Zurück der Blick

Schneckenweg

Gletscherfall

trans

cisalpina

 

Durchsichtigkeit der Zeit

Und aller Register (gezogen)

Elfenscheinturm

Klarheitsmaß

trans

parenz

Und dann gibt es da auch noch den Zufall. Aber das behalte ich für mich 😉 schneckschneck

Dieser Beitrag wurde zum ersten Mal auf der Homepage der Schreiber und Sammler am 25. Februar 2024 gepostet.